Die
Zar-Kolokol-Glocke
Das Rätsel eines
mißglückten
Glockengiganten
Professor
Dr.
Rüdiger Pfeiffer-Rupp und Konstantin Mischurowski gewidmet
Von Jeffrey
Bossin
Man
schreibt das Jahr 1737. Am 29. Mai[1], dem Tag der Dreifaltigkeit, zündete
eine fromme Soldatenwitwe, die für den reichen Moskauer Bürger
Alexander
Miloslawski als Köchin arbeitete, eine Kerze anläßlich des
hohen Feiertags an,
stellte sie vor dem Ikon in ihrem Kleiderschrank und ging in
die Küche, um
etwas für sich selber zu kochen. Die Kerze fiel herunter und
setzte den
Kleiderschrank in Brand. Die anderen Diener und Bewohner des
Hauses nahmen gerade
an einem Gottesdienst teil aber als sie die zischenden Flammen
und schwarzen
Rauchschwaden bemerkten, eilten sie alle zu dem brennenden
Haus. Allein es war
zu spät, das Feuer hatte bereits die Hälfte des Hofes
verschlungen. Bei der
damals herrschenden Trockenheit und angetrieben von einem
starken Wind breitete sich ein
verheerendes und schreckliches Feuer mit Windeseile
in Moskau aus. Bevor es gelöscht werden konnte,
brannte ein Viertel der Stadt
nieder und man spricht noch heute davon
wie eine einzige billige Kerze Moskau zerstörte. Auch viele
Gebäude des
Kremls wurden Opfer der Flammen: die
Konyuschenni-, Poteschni-,
Facetten- und Terem-Paläste, das Büro, der Speisesaal, die
Botschafterkammern,
das Rote Tor, die Dreifaltigkeits- und Erlösertürme, die
Rüstkammer, das Arsenal und das
Archiv. Das Feuer
vernichtete
die oberen und unteren Dammgärten und die
Gewächshäuser, die Dächer der Mariä-Entschlafens-, Erzengel-Michael- und
Mariä-Verkündigungs-Kathedralen gerieten in Brand, das Chudow oder
Wunder-Kloster, das Nachlaßbüro, die Regierungsanordnung und der Bau der
Kollegien gingen in Flammen auf und das Salzamt, den
Zählerturm des
Kriegskommissariats und das Uniformbüro wurden zerstört. In
mitten der
Kremlanlage stand der legendäre Glockengigant, die
Zar-Kolokol-Glocke, die
gerade achtzehn Monate zuvor gegossen worden war. Lange Zeit
wurde immer wieder
erzählt, daß auch sie ein Opfer des Infernos wurde.
Die Zar-Kolokol-Glocke
ist mit einem unteren Durchmesser von 6,60 Meter, einer Höhe
von 6,14 Meter (einschließlich
der
Krone)[2] und
einem Gewicht von 202 Tonnen die bis heute
größte und schwerste Glocke, die jemals geschaffen wurde. Sie
steht auf einem
Podest neben dem Iwan-Weliki-Glockenturm im Moskauer Kreml, wo
der Franzose
Auguste Ricard de Montferrand sie am 23. Juli 1834 mit Hilfe
von 480 Soldaten,
20 Offizieren und 106 Zimmermännern und anderen Handwerkern
hinstellte, 99
Jahre nachdem sie gegossen wurde. Der erste Versuch, diese
Mammut-Glocke zu
gießen wurde im Jahre 1734 von Iwan Motorin unternommen und er
scheiterte. Erst
im darauffolgenden Jahr gelang seinem Sohn Mikhail der Guß. In
seinem 1985
erschienenen Buch The
Bells of Russia
beschreibt Edward Williams die Zar-Kolokol-Glocke als ein Werk
von vollendeter
Schönheit[3]. Allerdings hat die Glocke mehrere große
auffällige Makel: die Figuren der Kaiserin Anna
Iwanowa und des Zaren Alexei Mikhailowitsch sind
unvollständig, die Inschriften
in den beiden großen Kartuschen auf der Glocke wurden
schlecht und meistens
nicht zu Ende ziseliert, die Schärfe hat ringsherum
mehrere zum Teil
große Risse und ein elfeinhalb Tonnen schweres Stück ist aus
der Glocke herausgebrochen.
1736 wurden zwei verschiedene Pläne vorgelegt, mit deren Hilfe
die Glocke aus
der Gußgrube gehoben werden sollte, jedoch wurden sie nicht
ausgeführt. Als das
Feuer Ende Mai 1737 im Kreml wütete, soll nach den bisher
allgemein akzeptierten
und in der Fachliteratur immer wieder zitierten Berichten
darüber ein über der
Gußgrube errichteter hölzerner Schuppen in Flammen aufgegangen
und brennende
Balken sollen dabei auf die Glocke herabgestürzt sein. Man
soll das Feuer gelöscht
haben, indem man eine große Menge Wasser schnell auf die
Glocke goß, und die
dadurch verursachte plötzliche und ungleichmäßige Abkühlung
der Glocke soll für
die Risse und die Entstehung des großen Fragments
verantwortlich sein[4]. Auch der Moskauer
Campanologe Andrei
Gluschezki behauptet in seinen 2010 und 2019 veröffentlichten
Büchern über die
russischen Glockengießer bzw. die Moskauer Glockengießer des
18. bis frühen 20.
Jahrhunderts, daß der Brand und das Löschen des Feuers mit
Wasser die Risse
verursachten[5]. Auch ich hatte diese Erklärung
akzeptiert ohne darüber nachzudenken. Immerhin wird brennendes
Holz bis zu
1.300 Grad heiß, mehr als heiß genug, um Glockenbronze zu
schmelzen. Ich hatte
auch erlebt, wie ein heißes Stück Glas zerspringt, wenn es mit
kaltem Wasser
übergossen wird. Und der große Brand im Kreml ist eine
Tatsache. Es gibt jedoch
andere abweichende Erklärungen für die Beschädigung der
Glocke, z. B. daß die
Risse durch Gußfehler verursacht wurden[6]. Nach A. Wiktorow berichtete S. A.
Saltykow, daß Graf Burkhard Christoph von Münnich in seinen
Memoiren notierte, wie
ein Baumstamm auf die Glocke fiel und sie beschädigte[7]. Nach weiteren Darstellungen stürzte die
Glocke ab und zerbrach als Mikhail Motorin versuchte, sie aus
der Gußgrube zu
heben[8]. Oder die Glocke hing zur Zeit des
Kremlbrandes in einer 62.000 Rubel teueren Bühne aus hölzernen
Laufstegen in
der Grube[9] oder in einem hölzernen Gerüst über der
Gußgrube, diese fingen Feuer und die Glocke stürzte in die
Tiefe und zerbrach[10]. Williams berichtet, daß die Glocke in
der Gußgrube auf einem Eisengitter stand, und daß Mikhail
Motorin und seine
Arbeiter sie mit Hilfe eines Ladebaums etwas anhoben und
dadurch auch die
Schärfe und deren Unterseite sowie die Innenseite der Glocke
reinigen konnten,
wobei sie den Kern der Gußform entfernten. Danach wurde die
Glocke wieder auf
das Eisengitter heruntergelassen. Nach dem italienischen
Glockengießer Emanuele
Allanconi hatte Motorin die Gußform auf einem Eisengitter
gebaut, damit das
Gewicht der Glocke sie nicht in den Boden hineindrückt.
Jedoch, nachdem Robert Bremner sich die Zar-Kolokol-Glocke im
Herbst 1836 angeschaut hatte, war er der Meinung, daß
„sie
höchstwahrscheinlich nie aufgehangen wurde...es schien, als
wenn die Priester
sie niemals aus der Gußgrube entfernt hätten[11].“
Williams
behauptet jedoch, daß die Zar-Kolokol-Glocke
niemals in einem Holzbau über der Gußgrube hing oder daraus
fiel[12]. Einige Campanologen sind der Meinung,
daß die Glocke nicht herabfiel, weil sie mit dem
darunterliegenden Eisengitter
fest verbunden war, als sie 1836 aus der Gußgrube gehoben
wurde[13].
Schließlich vertritt Inna Kostina in
ihrem 2015 erschienenen Buch über die Glocken des 14. bis 19. Jahrhunderts im Moskauer
Kreml die Meinung, daß allein die durch das Feuer erzeugte
Hitze die Glocke
beschädigte[14].
Im August 2016
lernte ich den Campanologen
und Glöckner Konstantin Mischurowski in Rostow Weliki kennen,
wo wir beide
Mitglieder der Kommission sind, die das 63 Tonnen schwere
Geläut der Stadt aus
dem 17. Jahrhundert betreut. Mischurowski arbeitet als
Glöckner für den Moskauer
Kreml und führt Touristen durch die Anlage, wo die
Zar-Kolokol-Glocke täglich
von zahlreichen Kremlbesuchern bewundert und photographiert
wird. Im Gegensatz
zu Williams weiß Mischurowski aus erster Hand wie die Glocke
aussieht, und wie
Kostina findet er die von Olowjanischnikow und Williams
tradierte Geschichte dafür,
wie die Risse in der Glocke entstanden, nicht plausibel. Und
er geht noch
weiter: im Gegensatz zu Kostina ist er der Meinung, daß die
Glocke von dem
großen Brand im Kreml gar nicht beschädigt wurde. Als
Mischurowski mir die Glocke
zeigte, wies er darauf hin, daß sie keine der typischen
Merkmale einer Glocke
hatte, die einem Feuer ausgesetzt worden war[15],
z. B. war die
Glockenzier auf der Schulter im perfekten
Zustand.
Ich fing an über die Geschichte des Feuers nachzudenken. Als
der Großbrand 1737
im
Kreml wütete, war niemand
darauf vorbereitet, ihn zu bekämpfen. Kostina vermutet sogar,
daß alle nach
Haus geeilt wären, um ihre Besitztümer und Familien in
Sicherheit zu bringen[16].
Überall herrschte
Chaos, Flammen und Rauch schränkten die Sichtweite ein und
hinderten die Menschen
daran, normal zu atmen. Es gab ein heilloses Durcheinander. Zwar kämpften zahlreiche Soldaten,
Polizisten und die Bewohner
der Stadt gemeinsam daran, die Feuersbrunst zu löschen, aber
sie waren
hauptsächlich damit beschäftigt, das Feuer in der Stadt zu
bekämpfen. Warum sollten unter
diesen Umständen eine Anzahl von ihnen versuchen, die
Zar-Kolokol-Glocke zu
retten und wie? Dr. Bund war der Meinung, daß wenn der
Oberbefehlshaber des
Kremls seine Männer dazu angewiesen hätte, sie ihm ohne
Widerrede gehorcht
hätten. Und es wurden Vorsichtsmaßnahmen zur Feuerbekämpfung
in der Stadt
getroffen, die schon vor 88 Jahren in Kraft getroffen waren.
Am 30. April 1649 hatte Zar Alexei
Michailowitsch eine
Verordnung unterzeichnet, die eine
Rund-um-die-Uhr-Überwachung der Stadt Moskau
von Feuerwehrpatrouillen einführte. Diese wurden
angehalten, nicht nur aktiv am
Löschen von Bränden mitzuwirken sondern auch die
Einhaltung der zu diesem
Zeitpunkt bestehenden Brandschutzvorschriften zu
überwachen. Um das
Risiko einer Feuersbrunst zu reduzieren versuchte Zar
Peter I. den Bau von Holzhäusern in Moskau einzuschränken.
Wasseraufnahmebrunnen und später
Pumpsäulen, die mit
unterirdischen Hydranten verbunden waren (kолонка
пожарная), wurden auch in den
Straßen installiert[17].
Aber die Zar-Kolokol-Glocke
soll auf dem Boden einer zehn Meter tiefen Grube gelegen
haben, wo niemand sie
sehen konnte, der nicht hineinschaute, wieso sollte man ein
Feuer dort löschen anstatt
sich um die brennenden Gebäude des Kremls zu kümmern und sich
bemühen, deren wichtigen
Dokumente und kostbaren Einrichtungsgegenstände in Sicherheit
zu bringen?
Und
wenn man doch Wasser auf die Glocke
goß, wo nahm man es her? Welche Möglichkeit gab es, damals ein
Feuer im Kreml zu
bekämpfen? Die beiden Versuche, die Zar-Kolokol-Glocke zu
gießen, deuten auf eine
Antwort hin. Der erste im Jahre 1734 mißlang als am 29.
November Iwan und Mikhail
Motorin notgedrungen flüßige Glockenbronze aus zwei der für
den Guß vorgesehenen
vier Schmelzöfen in andere Öfen umleiten mußten, wo sie für
einen späteren
Gußversuch aufbewahrt werden sollte. Dabei spritzte das heiße
Metall auf die
hölzernen Sparren des Gußschuppens und setzte diese in Brand.
Auch der Ladebaum
über der Gußgrube, mit dessen Hilfe der Glockenmantel nach dem
Guß gehoben
werden sollte, ging in Flammen auf. Bei dem zweiten Guß
standen vierhundert
Männer bereit, ein solches Feuer zu bekämpfen[18]. Aber warum sollten soviele Menschen
benötigt werden, um einen Brand in dem begrenzten Raum einer
Gußgrube zu
löschen? Wenn man Wasser nur eimerweise auf die glühendheiße
Glocke gegoßen
hätte, wäre es ohne Wirkung verdampft; man hätte eine große
Menge Wasser in
kürzester Zeit auf die Glocke gießen müßen, um das Feuer
löschen zu können, und
die Glocke wäre dabei stark und rasch abekühlt. Sacharow
schreibt, daß die
vierhundert Männer, die beim zweiten Gußversuch zur
Feuerbekämpfung bereit
standen, mit Feuerlöschröhren (пожарными трубами) ausgestattet worden
waren[19]. Nach der
Einführung der Feuerwehrpatrouillen
1639 waren sie mit manuellen Feuerlöschpumpen ausgestattet
worden. Zu Beginn des
18. Jahrhunderts wurden Zwei-Zylinder-Kolbenpumpen aus dem
Ausland importiert,
die mit Schläuchen und eigens dafür gebauten Wasserbehältern
versehen waren. Die
Reichweite des Wasserstrahls betrug ca. 10 m. Man brauchte fünfzig Männer, um
die Feuerlöschpumpe
betreiben zu können. Zwei Gruppen von je sechs Männern
bedienten abwechselnd den
Pumpmechanismus, acht hielten den Schlauch und richteten den
Wasserstrahl und
dreißig bildeten eine oder zwei Kolonnen, deren Männer das
Wasser eimerweise von
Mann zu Mann reichten, bis der letzte es in den Behälter der
Feuerlöschpumpe
kippte[20]. 1633 hatte der Schotte Christopher
Galloway eine neuartige Pumpanlage im Inneren des
südwestlichen Eckturms des Kremls
neben dem Moskauer Fluß installiert, die die Anlage mit
Trinkwasser versorgte. Seitdem
heißt das Gebäude Водовзводная башня oder
Wasserzugturm. Dieser stand jedoch 600 Meter von der Gußgrube
entfernt. Sollte
sich ein Feuer nochmal in der Gußgrube ausbrechen, wären wegen
des Abstands zum
Wasserzugturm erheblich mehr als dreißig Männer nötig, um die
entsprechende
Menge Wasser eimerweise schnell zur Feuerlöschpumpe an der
Gußgrube zu tragen.
Aber auf dieser Weise wäre es vielleicht doch möglich gewesen,
eine größere
Menge von Wasser schnell auf die Glocke zu gießen. Der
italienische
Glockengießer Emanuele Allanconi berichtete jedoch aus eigener
Erfahrung, daß
es ihm nicht gelang, eine Glocke abzukühlen, indem er sie mit
Wasser übergoß
und meint, daß, um Risse durch einen Temperaturabsturz der
Glockenbronze zu
verursachen, die Glocke dabei derart heiß sein müßte, daß sie
anfangen würde zu
schmelzen. Er wies ferner darauf hin, daß sämtliche Risse der
Zar-Kolokol-Glocke
in der Schärfe und dem Wolm sind, in den Teilen der Glocke,
die wegen ihrer starken
Durchmesser am langsamsten abkühlen und wo Risse sich wegen
ungleichmäßige oder
schnelle Abkühlung nicht bilden. Nach Einschätzung der
heutigen Fachmänner, können
solche Risse auf Grund eines starken und raschen Abfalls der
Temperatur der
Glockenbronze nicht entstehen[21]. Und schließlich fragt Inna Kostina, ob,
wenn ein schwerer Brand in der Gußgrube loderte, es bei dessen
starker Hitze überhaupt
möglich gewesen wäre, nah genug an sie heranzukommen, um das
Feuer zu löschen. Warum
hat man nicht Erde dafür benützt? Vermutlich war der Boden um
die Gußgrube
nicht gepflastert und man hätte ohne großen Aufwand sie auf
das Feuer schaufeln
können[22]. Nichts spricht für die über fast drei
Jahrhunderte tradierte Geschichte der Beschädigung der
Zar-Kolokol-Glocke, im
Gegenteil, auch wenn es möglich gewesen wäre, eine große Menge
Wasser schnell auf
die Glocke zu gießen, wäre sie trotzdem nicht gerissen und
wenn überhaupt
irgendjemand versucht hätte, unter den unvorgesehenen
Umständen ein Feuer in
der Gußgrube zu löschen, dann wären es wahrscheinlich nicht
die ursprünglich
dafür vorgesehenen vierhundert Männer, die bei dem zweiten
Gußversuch in aller
Ruhe im voraus eingeplant und dafür eingesetzt werden konnten,
weil diese jetzt
damit beschäftigt gewesen wären, den Großbrand im Kreml zu
bekämpfen. Am allerwichtigsten
ist jedoch die Tatsache, daß die Glocke keinerlei durch eine
Beschädigung durch
Feuer hervorgerufene Merkmale aufweist. Nachdem der
Engländer Edward Daniel Clarke die Stadt Moskau 1801 besuchte,
veröffentlichte er
eine Zeichnung der Zar-Kolokol-Glocke in der Gußgrube. Obwohl
viele der
Einzelheiten davon nicht stimmen – z.B. werden der
Glockenschmuck und die Figur
der Kaiserin Anna Iwanowa
vollständig und tadellos abgebildet – ist das
große abgebrochene Fragment auch zu sehen und zwar auf der
Seite liegend
abseits der Glocke. Dies spricht auch dafür, daß die
Glocke nicht wegen des
Feuers zerbrach, denn sonst wäre das Stück bei den
Löscharbeiten nicht nach
außen und weg von der Glocke herausgeschleudert worden sondern
nach innen
gefallen.
Und
wenn ein plötzlicher Temperaturabsturz
der Bronze nicht die Risse verursachte, was ist mit der Glocke
denn wirklich
geschehen? Warum sind die Figuren der Kaiserin Anna
Iwanowa und des Zaren Alexei Mikhailowitsch unvollständig,
und wieso
wurden die Inschriften nicht zu Ende ziseliert? Wie Iwan und
Mikhail Motorin damals
gießt Allanconi seine Glocken heute auch nach dem
Lehmformverfahren und ist mit
der Problematik dieser Gußmethode aus eigener Erfahrung sehr
vertraut. Williams
behauptet, daß Motorin die Figuren der Kaiserin und
des Zaren absichtlich nur
grob gestaltete und,
daß er vor hatte sie erst nach dem Guß zu vervollständigen und
ihre Feinheiten
herauszuarbeiten. Allanconi ist hingegen der Meinung, daß die
Unvollständigkeit
der Figuren sich auf einen Gußfehler zurückführen läßt. Als
Mikhail Motorin die
Glocke goß, löste sich Lehm von der Innenseite des Mantels
und, weil er
leichter als Bronze ist, schwamm er nach oben. Wenn der Lehm
in mehreren
Schichten aufgetragen wurde, kann sich die oberste davon auch
leichter lösen.
Wenn eine solche Schicht einen Abdruck enthält, dann geht
dieser verloren. Wenn
die Innenseite des Glockenmantels den Abdruck einer Figur auf
der Flanke hat,
bleibt losgelöster Lehm meistens am oberen Teil des Abdrucks
haften und bedeckt
dessen mittleren und unteren Teile, sodaß die beim Gußvorgang
hineinfließende
Bronze sie nicht abfüllen kann. Allanconi kennt diese Gefahr,
weil solche
Figuren die Flanken vieler seiner Glocken zieren. Und deshalb
blieben die
Figuren der Kaiserin Anna Iwanowa
und des Zaren
Alexei Mikhailowitsch beim Guß der Zar-Kolokol-Glocke
unvollständig: der untere
Teil der Figur des Zaren fehlt, bei der Kaiserin sind nur
der Kopf, der oberste
Teil der Brust und die ausgestreckte rechte Hand mit dem
Reichsapfel zu sehen. Links
und rechts von der Kaiserin steht je eine große
dekorative Kartusche mit
je einer langen und feierlichen Inschrift. Die Kartusche, die
auf der Seite gegenüber
von dem großen abgebrochenen Fragment steht, enthält eine
vierzehnzeilige
Inschrift. Die Buchstaben der obersten drei und die auf der
rechten Seite der
vierten bis sechsten Zeilen sowie einige der achten Zeile
wurden ziseliert und
sind erhaben. Die restlichen wurden nicht ziseliert, sind
flach und liegen
tiefer als die erhabenen. Allanconi meint, daß deren oberen
Teile nach dem Guß
vom Lehm bedeckt waren, die Arbeiter sie nicht sehen konnten
und sie
versehentlich abschlugen, als sie sie während des Ziselierens
suchten. Die
Inschrift der Kartusche, die oberhalb des abgebrochenen
Stückes steht, läßt
sich zwar gut erkennen, aber die Buchstaben wurden während des
Zisilierens der
Glocke nicht von der ihr umliegenden Glockenbronze befreit und
bilden gemeinsam
mit ihr eine flache Ebene. Außerdem wurden mehrere Teile des
Glockenschmucks
nicht zu Ende ziseliert, z. B. sind
die
unteren Teile der Figuren der Kaiserin und des Zaren
und die Rahmen der Kartuschen unvollständig oder grob
geformt. Möglicherweise
ist ein Teil dieser Schäden auf schadhafte Stellen der Gußform
zurückzuführen,
die entstanden, als bei dem ersten Gußversuch 1734 brennenden
Balken darauf
stürzten. Da Iwan Motorin zwei Jahre gebraucht hatte, um die
Gußform
fertigzustellen, hatte er und sein Sohn Mikhail nicht die Zeit
und die Mittel,
eine neue zu bauen und mußten sie stattdessen reparieren. Am
22. September 1735
wurden 4.000 Rubel für die entsprechenden Arbeiten in Rechnung
gestellt und eine
Woche später erhielten Mikhail Motorin, Gawril Smirnow und
Andrei Molyarow den
Befehl, die Gußform zu reparieren[23].
[1]
Da Williams
den Moskauer
Dreifaltigkeitsbrand nach dem julianischen Kalendar
anführte, ist anzunehmen,
daß alle anderen von ihm angegebenen Daten, die aus
russischen Quellen stammen
wie auch diejenige von Kostina und Rubzow zitierten
sowie das auf einer
russischen Website angegebene Datum 30. April 1649 als
der Tag an dem Tsar
Alexei Michailowitsch eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung
der Stadt
Moskau von Feuerwehrpatrouillen anordnete, ebenfalls danach angeführt wurden.
Nur die Angabe des Tages,
an dem die Zar-Kolokol-Glocke
aus der
Gußgrube entfernt wurde – 23. Juli 1836 – wurde
vermutlich nach dem
gregorianischen Kalendar angegeben worden sein, da es
aus einer Darstellung
stammt, die von dem Franzosen Auguste
Ricard de Montferrand auf Französisch verfasst
wurde. Siehe Auguste
Ricard de Montferrand:
Description de la
grand Cloche de Moscou,
Paris 1840.
[2]
Инна
КОСТИНА: Каталог собрания
государст-венного историко-культурного
музея-заповедника «московский кремль».
Колокола XIV-XIX веков (Inna KOSTINA: Katalog
der Sammlung des
Staatlichen Histo-rischen und Kulturmuseums des
"Moskauer Kremls“. Die
Glocken des 14. bis 19. Jahrhunderts, Moskau
2015, S. 118.
[3]
„Michail
Motorin bewies, daß sein Vater Recht
hatte, als er glaubte, daß es möglich wäre, eine
unvergleichlich große und
schöne Glocke zu gießen“ und „Motorins
Zar-Kolokol-Glocke ist dennoch ein
Meisterwerk. Sie ist die bronzene Apotheose aller großen
Geine der am schönsten
gestalteten und verzierten aller Glocken...“ Siehe
Edward Williams: The Bells
of Russia, Princeton 1985, S. 152 bzw. 154.
[4]
Vgl. Edward
Daniel CLARKE: Travels in Various
Countries of Europe, Asia, and Africa. Bd. I: Russia, Tartary,
and Turkey, Aberdeen
und Ipswich 1848, S. 76, Николай РУБЦОВ: История литейного
производства
в ссср (Nikolai
RUBZOW:
Geschichte der Gießereien in der UdSSR), zweite
revidierte und
erweiterte Ausgabe, Moskau 1962, S. 113, Николай Захаров: Кремлёвские колокола (Nikolai
SACHAROW: Die
Glocken des Kremls), 2te revidierte Ausgabe Moskau
1980, S. 49, Инна
КОСТИНА: Царь-колокол
и его
создатели. Вопросы истории. (Inna KOSTINA: Die
Zar-Kolokol-Glocke und
ihre Schöpfer. Fragen zu deren Geschichte), Moskau
1982, S. 181, WILLIAMS,
S. 154, Сергей ТОСИН: Колокола и звоны в Руссии (Sergei
TOSSIN: Glocken
und Swons in Rußland), Nowosibirsk 2002, S. 332,
Николай
Оловянишников: Исторя
колоколов и
колокололитейное искусство (Nikolai
Olowjanischnikow: Die
Geschichte der Glocke und der Kunst des Glockengießens),
Moskau 1912, neu
revidierte Ausgabe von Anna Bondarenko, Moskau 2010, S.
194, Юури
ПУХНАЧЕВ: Загадки звучащего металла. Физика,
технология и история колокола (Juri
PUCHNATSCHOW: Die Geheimnisse von klingendem Metall.
Die Physik, Technologie
und Geschichte der Glocke), Moskau 20122, S. 80,
Андрей
Сидорчик:
Молчащий гигант. Кто сломал Царь-когоког? (Andrei
Sidortschik: Stummer Riese.
Wer brach die Zar-Kolokol-Glocke?), Internetwebsite Аиф
Истфак
(Aif Istfak) http://www.aif.ru/society/history/molchaschiy_gigant_kto_slomal_car-kolokol
2014 sowie der Artikel
Царь-колокол
(Die
Zar-Kolokol-Glocke), ru.wikipedia.org., Abschnitt
Повреждения (Schaden) und Roman LUKIANOV: A Brief History of
Russian Bells,
http://www.russianbells.com/history/history1.html.
Der Moskauer Glockengießer MICHAIL GAWRILOW BOGDANOW soll
die großen
Bruchstücke der 58,1 t schweren Glocke, die KONSTANTIN
SLISOW für den
Iwan-Weliki-Glockenturm des Kremls 1760 gegossen hatte
angeblich dadurch
zerkleinert haben, indem er
sie zuerst
erhitzte und dann mit kaltem Wasser übergoß, um sie für
den Guß der neuen
Glocke besser verwenden zu
können, die
er 1817 schuf (laut Inschrift wiegt diese Glocke 4000 Pud
= 65,44 t. Nach Bogdanow
beträgt das Gewicht der
fertiggestellten Glocke 3.904 Pud 9 Pfund = 64 t, nach den
Berechnungen der
russischen Gießern Samgin
und Astrachanzew
wog sie 3.856 Pud 1 Pfund =
63 t, nach Hieromönch Arseni 55,2 t.,) die er Alla
Widenejewa zufolge am 5.
April 1818 goß (Siehe Костина: Каталог
((Kostina,
Katalog)), S. 144 bzw.
148), nachdem Napoleons Truppen SLIZOWS Glocke stark
beschädigt hatten, als
sie während
der Besatzung der Stadt im
Frühherbst 1812 versucht hatten, den Glockenturm mit Hilfe
von Sprengsätzen zu
zerstören. Nach Robert Lyall wurde die Glocke heiß, als es
auf dem Iwanowskaja
Platz neben dem Iwan-Weliki-Glockenturm brannte und die
Glocke „zerbrach, als
man sie mit kaltem Wasser
übergoß: sie
brach in Stücke auseinander, die zu BOGDANOWS
Gießerei transportiert und für den Guß der neuen
Glocke verwendet
wurden...“ Siehe Robert LYALL: The Character of the
Russians and a Detailled
History of Moscow, London, 1823, S. 209. Nach
Kostina wurde die Glocke in
dem Iwan-Weliki-Glockenturm beschädigt während Napoleon
Moskau besetzte und nachher
davon entfernt, auf dem Erdboden gelegt und zertrümmert
und die Fragmente zur
Bogdanows Gießerei gebracht, der sie benutzte, um eine
neue Glocke zu gießen.
Siehe КОСТИНА: Каталог (KOSTINA, Katalog) S. 148.
Als Napoleons Truppen
die Sprengsätze detonierten, die sie in dem
Iwan-Weliki-Glockenturm gelegt
hatten, fielen mehrere Trümmerteile in die Gußgrube der Zar-Kolokol-Glocke
und
begruben sie vollständig
unter ihnen.
[5] Андреий Глушецкий:
Колокольное дело в России. Во второй
половине XVIII –
начале
XX века.
Энциклопедия литейщиков. (Andrei Gluschetzki:
Glockenhandwerk in Rußland
von der zweiten Hälfte des 18. bis zu Beginn des 20.
Jahrhunderts. Enzyklopedia
der Glockengießer), Moskau 2010, S. 266 und Вылит
сей колокол в царствующем граде москве. История
московских колокололитейных заводов
XVIII – начала XX
в.,
(Andrei
Gluschezki: Diese Glocke wurde in der Regierungsstadt
Moskau gegossen. Die
Geschichte der Moskauer Glockengießereien vom
achtzehnten bis Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts), Moskau
2019, S. 31.
[6]
Сидорчик (Sidortschik),
ebenda.
[7]
Инна Костина: Каталог
собрания государственного
историко-культурного музея-заповедника «московский
кремль». Колокола XIV-XIX веков (Inna
Kostina: Katalog der Sammlung des Staatlichen Historischen
und Kulturmuseums
des "Moskauer Kremls“. Bd. Die Glocken des 14. bis 19.
Jahrhunderts,
Moskau 2015, S. 125.
[8]
Сидорчик (Sidortschik),
ebenda.
[9]
Vgl.
Artikel Царь-колокол
(Die
Zar-Kolokol-Glocke), ru.wikipedia.org., Abschnitt
Повреждения (Schaden).
[10]
Williams, S.
154. Vgl. auch John
Ross Browne:
The Land of Thor, New York 18702,
S. 144. Nach
Jonas Hanway „lag diese Glocke in einer Grube,
über der sie früher hing; als der Balken, der sie
trug während
eines Großbrandes nachgab, hinterließ
ihr Sturz eine große Lücke in der Glocke.“ Siehe Jonas
Hanway: An Historical
Account...of Travels from London through Russia, Bd. 1,
London, 1753, S. 93.
William Coxe, der die Glocke untersuchte und auch deren
Größe ausmaß als er die
Stadt Moskau 1778 besuchte schrieb „Der Balken, an dem
diese riesige Maschine
festgemacht worden war, brannte durch einen Zufall, die
Glocke fiel herab und
hinterließ eine Öffnung derart groß, daß zwei Menschen
nebeneinander durch sie
hindurchschreiten können, ohne sich dabei bücken zu
müßen.“ Siehe William COXE:
Travels into Poland, Russia,
Sweden, and Denmark, Interspersed with
Historical Relations and
Political Inquiries. Book III. Travels into Russia, Dublin 1784, S. 351-352.
Über die Zar-Kolokol-Glocke
berichtete Robert
Lyall “Wenn sie auf immer in dem Loch
geblieben wäre, wo sie gegossen worden war, wäre es schwer
zu verstehen,
wie sie durch ein Feuer hätte
beschädigt werden
können, da sie dort mitten in einem feuerfesten Umfeld
liegt...Wenn jemand mich
fragen würde, wie und wo die Glocke gehangen hatte,
würde ich erwidern, daß, nach
allen bisher gefundenen
Berichten darüber zu
urteilen, sie über
der Stelle, an dem sie gegossen worden war, hing und zwar
nicht weit über dem
Erdboden; daß sie an riesigen Balken und
Sparren festgemacht worden war und von einer
Holzkonstruktion überdacht wurde,
die Feuer fing, wodurch die Glocke heiß wurde und
wahrscheinlich riß, als sie
mit Wasser übergossen wurde während man versuchte, den
Brand zu löschen.“ Siehe
Lyall, pp. 207. Lyall weist dabei auf vier russische Texte
und eine
deutschsprachige Schrift als Informationsquellen. John
Murray notierte
folgendes über die Zar-Kolokol-Glocke: „es wird erzählt,
daß der Turm, worin
sie ursprünglich hing,
1737 brannte und
ihr Absturz führte dazu, daß die enorme Masse sich tief in
der Erde grub und
ein großes Stück on ihr abbrach.“ Siehe John Murray:
Hand-book for Northern
Europe; including Denmark, Norway, Sweden Finland, and
Russia, neue Ausgabe,
London 1849, S. 551. Charles Piazzi Smyth, der die Glocke
sich anschaute als er
Moskau 1859 besuchte, schrieb darüber „...es wurde
nirgendswo schriftlich
festgehalten, ob sie jemals wirklich läutete; nur daß im
Jahre 1737 ein
weiterer Brand ihre Behausung zerstörte, und daß ein
großes Stück aus dem
unteren Teil abbrach, entweder weil die Glocke dabei
abstürzte oder weil Wasser
gleichzeitig auf das brennende Glockengerüst und die
Glocke selber gegossen
wurde.“ Siehe Smyth,
ebenda. Iwan Snegirew
nennt beide Versionen
der Geschehnisse als mögliche Ursachen für die
Beschädigung der Glocke, daß
sowohl das Gerüst um sie herum brannte oder
der Tragebalken, an dem sie über
der Gußgrube hing, Feuer fing und sie in die Grube fallen
ließ. Vgl. Иван Снегирев: Московский Царь´-колокол (Iwan Snegirew: Die Moskauer
Zarenglocke) in: Русская
достопамиятности 3 (Russische Sightseeing 3) 1880,
S. 1-28, hier S. 6.
Siehe auch den Artikel Царь-колокол
(Die Zar-Kolokol-Glocke),
ru.wikipedia.org., Abschnitt Повреждения
(Schaden) und den Auszug
aus Николай Захаров: Кремлёвские колокола (Nikolai Sacharow: Die
Glocken des Kremls), Moskau 1969,
www.libfox.ru sowie
Костина: Каталог
(Kostina: Katalog), ebenda.
[11]
Vgl. Robert
Bremner: Excursions in the Interior of Russia; Including
Sketches of the
Character and Policy of the Emperor Nicholas, Scenes in
St. Petersburgh,
&c., &c, Bd. 2,
London 18402, S. 49-50.
[12]
Williams, S. 154. Williams
beruft sich dabei auf Густав
Богуславский: Царь'-колокол (Gustaw
Boguslawski: Die Zar'
Kolokol-Glocke), Moskau 1958, S. 38-39. Vgl. auch Захаров
(Sacharow), 2te
revidierte Ausgabe 1980, S. 49.
[13]
Williams berichtet, daß es die
Handwerker hart
arbeiten müßten, um die Schärfe der Glocke von dem
darunterliegenden
Eisengitter zu trennen, als Montferrand sie 1836 aus der
Gußgrube hob. Siehe
Williams, S. 161. Darüber schrieb William Spottiswoode „Es
ist mir klar, daß
die Glocke nie läutete oder jemals irgendwo hing...Dies
scheint mir
offensichtlich, angesichts der Tatsache, daß sie noch auf
dem Eisengitter
stand, auf dem der Kern als erster Teil der Gußform gebaut
wurde bevor der rest
fertiggestellt wurde, und daß die Glocke noch in derselben
Grube lag, wo sie
gegossen worden war.“ Siehe William Spottiswoode: A
Tarantasse Journey through
Eastern Russia in the Autumn of 1856, London, 1857, S.
248-249. Kostina
berichtet, daß bisher keine Dokumente im Kremlarchiv
gefunden wurden, die
belegen, daß die Zar-Kolokol-Glocke in einem Gerüst über
der Gußgrube hing, und
daß das Eisengitter sogar an der Schärfe der Glocke klebte
und zuerst zusammen
mit ihr nach oben gezogen wurde, als Montferrand die
Glocke anhob und daß dies
gegen die Behauptung spräche, daß die Glocke abgestürzt
wäre. Siehe Костина: Каталог (Kostina: Katalog), S. 125. Auch
Sacharow berichtet darüber
und der Autor des
russischsprachigen
Wikipedia Artikels über die Zar-Kolokol-Glocke schreibt,
daß Sacharow wie die meisten anderen
russischen Campanologen daran zweifelt,
daß die Glocke abstürzte, weil sie sonst nicht danach
exakt dieselbe Stellung
auf dem Eisengitter hätte einnehmen können, wie sie vor
einem Sturz hatte. Vgl.
Artikel Царь-колокол (Die
Zar-Kolokol-Glocke), ru.wikipedia.org.,
ebenda und Захаров (Sacharow), ebenda. Es
ist dem Autor jedoch nicht klar, woher diese Campanologen
wissen, wie die
Glocke in der Gußgrube lag. Die Gußgrube war zehn Meter breit und der Durchmesser der Glocke
beträgt 6,9 Meter. Wenn
der Glockengießer Allanconi Recht hat, wenn er behauptet,
daß das Eisengitter
unterhalb der Gußform gebaut wurde, damit die Glocke sich
nicht in die
darunterliegende Erde hineindrückt, dann müßte es
mindestens so breit wie die
Gußform wenn nicht sogar noch breiter gewesen sein. Und
das würde
bedeuten, daß wenn sie in der Mitte
der Gußgrube
gebaut worden wäre, der
Abstand zwischen dem Rande des Eisengitters und der Wand
der Gußgrube
höchstens 1,7 Meter groß gewesen
wäre, wenn nicht sogar weniger. In der Zeichnung von der
Glocke in der Gußgrube
die RICARD DE MONTFERRAND anfertigte als er sich darauf
vorbereitete, sie
daraus heben zu lassen, nimmt sie fast den ganzen Boden
davon in Anspruch.
Siehe WILLIAMS, S. 161 und RUBZOW, S. 114. Das hätte zur
Folge, daß wenn die
Glocke hoch gehoben worden und anschließend
heruntergefallen wäre, sie auf das Eisengitter
hätte fallen müßen. Und
auch wenn sie danach nicht auf genau der gleichen Stelle
wie vorher stand, der
größte Teil davon würde trotzdem wieder auf dem
Eisengitter gestanden und daran
geklebt haben we-gen der Wucht des Aufpralls und der
Korossion des Eisengitters
durch das Wasser, das sich später auf dem Boden der
Gußgrube ansammelte.
Williams berichtet, daß, als die Handwerker die Schärfe
der Glocke von einer
dicken Schicht Erde befreiten, die sich mit der Zeit um
sie herum gebildet
hatte, damit sie 1836 aus der Gußgrube gehoben werden
konnte, sie die Reste des
Eisengitters aufdeckten, was darauf hinweist, daß es schon
verfallen war. Unter
diesen Umständen fragt man sich, wie irgendjemand
behaupten könnte, daß, als
die Glocke endlich aus der Grube gehoben wurde, sie noch
auf genau der gleichen
Stelle des Eisengitters war, wo sie 101 Jahre vorher
gestanden hatte und er
diese Aussage als den Beweis anführen könnte, daß die
Glocke niemals angehoben
worden oder angestürzt wäre. Daher ist die Tatsache, daß
das Eisengiteer an der
Schärfe der Glocke klebte, als sie endlich hochgehoben
wurde, bezüglich der
Frage, ob sie irgendwann herunterfiel oder nicht
herunterfiel, irrelevant.
Im
Gegensatz zu
Williams meint Sacharow, daß Motorin sogar die Glocke
nicht einmal anhob und
die Angüsse auf der Schärfe der Glocke auch nicht
entfernte. Vgl. Захаров
(Sacharow), ebenda.
[14]
Костина: Каталог (Kostina, Katalog): ebenda.
[15]
Als Dr. Bund die von mir
gemachten
Detaillaufnahmen der Glocke beim Deutschen Glockenkolloquium
am 7. Oktober 2018
anschaute, war er ebenfalls dieser Meinung.
[16]
Siehe Костина: Каталог (Kostina, Katalog): ebenda.
[17]
МЧС России (Emercom
Rußland), Artikel
История пожарной охраны Москвы (Geschichte
der Moskauer Feuerwehr), https://moscow.mchs.ru/document/661234.
[18]
Оловянишников (Olowjanischnikow), ebenda.
[19]
Захаров
(Sacharow),
S. 6.
[20]
Vgl. МЧС России
(Emercom Rußland),
Artikel История развития пожарной техники в России в
XVII-XIX веках (Die Geschichte der Entwicklung der Feuerwehrgeräte
in Rußland im
XVII-XIX Jahrhundert), http://www.mchs.gov.ru/dop/info/smi/news/Novosti_glavnih_upravlenij/item/716355.
[21]
Siehe Олга Азарова: Царь-колокол в
Московском Кремле (Olga
Asarowa: Die Zar-Kolokol-Glocke im Moskauer
Kreml), www.zvon.ru.
[22]
Als
die
von Alexander
Grigorjew gegossene Große-Mariä-Himmelfahrts-Glocke
am 2.
Dezember
1673 in einen neuen Turm neben dem Iwan-Weliki-Glockenturm
im Moskauer
Kreml hochgehievt wurde, stürzte sie kopfüber. Als sie auf
dem Boden
aufprallte, blieb das obere Drittel der Glocke in der Erde
stecken. Das
bedeutet, daß zu dieser Zeit der Boden um den Glockenturm
nicht bepflastert war
und es ist anzunehmen, daß dies 1737 ebenfalls der Fall war,
sodaß es durchaus
möglich gewesen wäre, ein Feuer in der Gußgrube zu löschen,
indem man die Erde
um sie herum auf die Glocke schaufelte. Während
seines Aufenthalts in Moskau im Jahre 1800 untersuchte
Edward Daniel Clarke die
Zar-Kolokol-Glocke in der Gußgrube und ihm fiel
dabei auf, daß deren
unterer Teil gänzlich in der Erde begraben war. Vgl. CLARKE,
ebenda.
[23]
Siehe Инна Костина: К
истории создания «Царь-колокола»
(Новые архивные материалы) (Inna Kostina: Zur Geschichte der Entstehung der
Zar-Kolokol-Glocke. Neue
Dokumente aus dem Archiv)
in: Колокола.
История и современность
1990 (Glocken in Geschichte und Gegenwart 1990), Hg. von Б. Раушенбах (B. Rauschenbach), Moskau
1993, S. 122.
[24]
Siehe Fußnote 2.
[25]
Сидорчик (Sidortschik), ebenda.