Das Carillon

Das Carillon ist ein von Hand gespieltes Turmglockenspiel, das aus einer chromatischen Reihe von mindestens 23 gestimmten Glocken und einem Spieltisch mit Tastenstöcken und Pedalen besteht. Es ist weder elektrisch noch automatisch sondern wird wie ein Klavier oder eine Orgel von einem Musiker mit bloßer Körperkraft gespielt, jedoch mit Füßen und geballten Fäusten. Die Glocken schwingen nicht hin- und her sondern hängen fest, und der Carillonneur schlägt sie mit den Klöppeln, indem er die damit verbundenen Tasten und Pedale des Spieltisches niederdrückt. Die rein mechanische Traktur ermöglicht einen nuancierten Vortrag mit allen dynamischen Abstufungen zwischen laut und leise.

Das Instrument entwickelte sich im Mittelalter im Gebiet des heutigen Belgien und der Niederlande. Die Carillonneure spielten vor und nach den Gottesdiensten und zu den Festlichkeiten des Jahres. Im 17. Jahrhundert stellten die Gebrüder Hemony in den Niederlanden die ersten genau gestimmten Carillons her, darunter fünf für die Stadt Amsterdam. Anfang des 18. Jahrhunderts stiftete Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, je ein Carillon für die Berliner Parochial- und die Potsdamer Garnisonkirche. Sie wurden regelmäßig gespielt bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

In Europa hängen fast alle Carillons in einem Kirch- oder Rathausturm mitten in der Stadt. In den Niederlanden und Belgien werden sie das ganze Jahr über an den Markttagen gespielt. In den Sommermonaten gibt es manchmal eine Reihe von Abendkonzerten meistens mit Gastcarillonneuren, wo die Zuhörer einen Sitzplatz und einen Programmzettel bekommen. Seit dem Ende des ersten Weltkriegs wurden rund 170 Carillons in Nordamerika installiert, zu denen die größten und schwersten der Welt zählen. Viele wurden in eigens dafür gebauten Türmen in einer Parklandschaft installiert, wo die Zuhörer sich einen Programmzettel nehmen und die Musik fernab von dem Großstadtlärm geniessen können. Heute gibt es weltweit ca. 700 Carillons, von denen die meisten in Belgien, den Niederlanden und den USA stehen. In Deutschland gibt es derzeit 49 Carillons u. a. in Aschaffenburg, Berlin, Eppingen, Erfurt, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Kiel, Köln, München und Wiesbaden.

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Glockengerüst mit Carillonspieltisch in der Mitte. Der Carillonneur sitzt mitten in den Glocken, damit die Verbindungsdrähte zwischen dem Spieltisch und den Glockenklöppeln so kurz wie möglich sind und der Carillonneur die größt mögliche Kontrolle über den Klöppelanschlag hat. Zeichnung aus André Lehr, Leerboek der Campanologie, Asten 1976. Mit freundlicher Genehmigung des Nationaal Beiaardmuseum, Asten, Niederlande.
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Die Verbindung zwischen einem Tastenstock eines Carillonspieltisches und dem Glockenklöppel. Der Klöppel ist ganz nah an der Glockenwand positioniert, damit der Carillonneur beim Spielen die Klöppel nur wenig bewegen muß. Zeichnung mit freundlicher Genehmigung der Guild of Carillonneurs in North America.
 
 
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